Sibylle Missoum-Spahlinger

„Mutation oder das nicht mehr naturgemäße Wachstum und abstrahierte und weiterentwickelte Strukturen der Natur in gedachten Zusammenhängen.“ So formulierte die Frankfurter Künstlerin Sybille Missoum-Spahlinger ihr Thema der letzten Jahre. Wir hatten die Autorin und Malerin in einer Sendung bei Radio X zu Gast und uns herrlich interessant über Kunst unterhalten und die Kirche und den christlichen Glauben kritisiert und verunglimpft. Bereits mit sieben Jahren wusste Missoum-Spahlinger, dass sie malen will und das tat sie auch. Von der schreibenden und ebenfalls zeichnenden Großmutter kam noch der literarische Einfluss. Auch gefördert wurde die junge Begabte, daran hatte es nicht gelegen.

Die kreative Bremse und im Grunde auch künstlerische Traumatisierung musste sie dann aber in den Jugendjahren im Kloster erfahren. Lernen und Disziplin galten dort, alles Andersartige musste unterbunden werden. Als man sie bei einer heimlichen Malaktionen erwischte, wurden ihre gesamten damaligen Werke zerstört. Sie zog sogzusagen in den künstlerischen Untergrund und vertiefte das Schreiben. Das war weniger auffällig und sah nach „Lernen“ aus. In ihrem autobiographischen Werk „Im Strom“ verarbeitet sie ihre Geschichte, erzählt von ihren Erlebnissen und übt eine knallharte Kritik an der christlichen Religion aus. Ein wunderschönes und ehrliches Buch.

Vor allem die Kunst und das Schreiben gerade in der repressiven Zeit haben sie letztlich aber am Leben erhalten. Für sie waren es Verbrechen, auch „was mit den Priestern und Nonnen abgelaufen ist“. Es brauchte schließlich eine ganze Weile, um aus dieser Wahnwelt der Kontrolle herauszukommen und wieder freies kreatives Denken entwickeln zu können. Nach der Zeit im Kloster folgte ein Studium der Grafik an der Kunsthochschule Offenbach und Darmstadt und ein Studium der freien Malerei an der Kunstakademie Stuttgart bei Prof. Sonderborg. Seit 1971 ist sie freischaffend tätig. Das kreative Wirken förderte innere Verarbeitunsprozesse und Missoum-Spahlinger integrierte dies in ihren Werdegang. Sie besuchte ein Studium am Institut für angewandte Tiefenpsychologie, absolvierte eine Ausbildung zur Ergotherapeutin und arbeitete seitdem zusätzlich als Kunsttherapeutin in sozialtherapeutischer Einrichtungen. Im Audiomitschnitt aus der Radiosendung erzählt sie von ihrer Geschichte und über das Künstlerdasein.

Damals fand sie in der Frankfurter Szene beim Künstlersyndikat guten Anschluss und Geleichgesinnte. Die Gruppe bestehend aus 24 Künstlern machte damals tolle Dinge, die meisten Mitglieder wurden später auch alle bekannt. „Heute wird ja kein Mensch mehr bekannt. Damals haben wir noch irritierende und aufsehenerregende Ausstellungen veranstaltet, wie ‚Die Tür‘. Alle haben ganz viele verschiedene Türen beigeholt, ich hab die Rede dazu geschrieben. Das Künstlersyndikat gibt es aber leider nicht mehr“, so Missoum-Spahlinger. Im Laufe der Jahre schrieb sie Reden für Galerien oder Vernissagen, Vorträge, Vorwörter zu Büchern und dann organisierte sie schließlich mit eigenen Bildern ihre ersten Ausstellungen. Die Malerin und Schreiberin war lange Zeit Mitglied in der Frankfurter Künstlergesellschaft und ist seit 25 Jahren beim Berufsverband Bildender Künstler (BBK) Frankfurt, davon seit zehn Jahren im Vorstand. Regelmäßig kuratiert sie Ausstellung, wie die „Aspekte des Glaubens“, die Weihnachtsausstellung in der Paulskirche oder „Märchen“, bei der es um die Frage ging, ob sich Menschen in der heutigen Zeit noch verzaubern lassen können.

Was die Künstlerin über sich sagt:

„Ich bin in Frankfurt am Main geboren und immer wieder dorthin zurück gekehrt. Die letzten 25 Jahre lebe ich kontinuierlich dort. Ich fühle mich dem bildnerischen und literarischen Ausdruck verpflichtet. Mein künstlerischer Werdegang beginnt nach der Schule mit einem Kunststudium zunächst an der Städel-Abendschule bei Walter Hergenhahn, dann Grafik an den Kunsthochschulen Offenbach und Darmstadt, danach Freie Malerei an der Kunstakademie Stuttgart bei Professor Sonderborg. Seit 1971 arbeite ich freischaffend, das Geld zum Leben lässt sich aber nur mit tausend Jobs verdienen. Später kommt noch ein Studium der Tiefenpsychologie hinzu. Anschließend arbeite ich als Kunsttherapeutin in einer sozialtherapeutischen Einrichtung, wo ich die Werkstatt leite und Gestaltungspläne für die Patienten entwickle und diese mit ihnen durchführe. Seit 1995 bin ich immer wieder im Vorstand des BBK Frankfurt, halte Kurse für Zeichnen, Malen und Arbeiten mit Papiercollagen. Die alljährliche Organisation und Betreuung des BBK Jahres- bzw. Weihnachtsausstellung in der Paulskirche Frankfurt ist mir ans Herz gewachsen. Außerdem kuratiere ich verschiedene Arbeitsprojekte.

Was die Künstlerin zu ihrer bildnerischen Arbeit sagt:

Es gibt viele Einzel- und Themenausstellungen im In- und Ausland. Meine Malerei beginnt mit großformatigen Leinwänden, die mit mehreren Aquarellschichtungen, später dünnen Öl- und Acrylmalereien abstrakte Landschaftsformationen beschreiben. Eigentlich sind es Strukturen, die nach einem Ausdruck drängen. Daran schließen sich Bildkästen an, kleine gebaute Holzkästen, einsehbar durch eine Glasscheibe, die eine Pseudorealität zeigen. Assemblagen, Foto- und Papiercollagen entstehen im Umfeld. Schließlich werden die Verfremdungen in Zeichnungen umgesetzt mit einer eigenständigen Aussage. Bis heute haben Zeichnungen, Collage und Malerei bei mir gleiche Bedeutung. Das immer wieder neue Zusammenfügen von Dingen, die eine geheime Verwandtschaft verbindet, ermöglicht das Wandern über Grenzen hinaus. Auch Künstlerbücher entstehen auf diesem Weg. Innenwandgestaltungen von Wohn- und Treppenhäusern zaubern manche Überraschungen auf Wände und auf Ecken. Es gab auch mal eine Fernsehaufzeichnung „Das Künstlerportrait“.

Was die Künstlerin zu ihrer literarischen Arbeit sagt:

Seit den 90er Jahren schreibe ich Bücher. Mein erstes entstand über einen Zeitraum von zehn Jahren. Es heißt: „Mutmaßungen über den Zusammenhang einer anhaltenden Familientragödie“ und spielt im Nachkriegsdeutschland. Es folgte „Passion“, es erzählt in Dialogform das Drama einer Liebesangelegenheit. Das Buch „Unterwegs“ verfolgt das Leben einer Frau, die immer draußen ist. An meinem Buch „Erste Liebe – über die Ungleichheit“ arbeite ich derzeit an der dritten Fassung.

KONTAKT: Sibylle Missoum-Spahlinger

  Ludwigshafener Straße 59, 65929 Frankfurt
Telefon: 069 31 89 41
  Email: sr_missoum@gmx.de
Künstlerseite: https://www.bbk-frankfurt.de/images/pdf/katalogseiten/Sibylle_Missoum-Spahlinger.pdf


BÜCHER
Im Strom – Klostererfahrungen eines Kindes
EDITION CHROP im Verlag Helmut Ladwig 2012
Taschenbuch (Softcover), 14,8×21 cm, 204 Seiten
ISBN 9783941210431, 18,90 Euro

Künstlerbuch über Don Quixote
Ein 7-teiliges Leporello mit Spiralbindung (ca. 40 x 60 cm Hochformat)

Visuelle Gedanken zu Texten aus dem Frühwerk von Thomas Bernhard
(ca. 60 x 60 cm) mit ausgewählten Textpartien, eine Collagenarbeit, gebunden, 7-teilig

Rund – eine Kreisbeschreibung
Kunstbuch 6-teilig, über den Lauf des Lebens, eingenähte Seiten mit Knöpfen zusammengehalten. Malerei, Collagen

Pierrot Lunaire. Impressionen zu Gedichten von Albert Giraud (1860-1929)
Eine Auswahl aus dem Zyklus von 50 Gedichten, (ca. 40 x 60 cm) Collagenarbeit, gebunden

Die durchschnittliche Katastrophe
(60 x 50 cm Querformat) genähtest Buchobjekt auf bemalte Leinwand mit Collagen, 6-teilig, mit Knöpfen zusammen genäht

Mutmaßungen über den Zusammenhang einer anhaltenden Familientragödie
Familienroman über die Nachkriegsjahre in Frankfurt mit einem Blick auf 3 Generationen
Fertigstellung 2004 – unveröffentlicht – auf der Suche nach Verleger

Passion
Roman in Dialogform über eine wahnsinnige Liebegeschichte
Fertigstellung 2005 – unveröffentlicht – auf der Suche nach Verleger

Unterwegs
Erzählung über eine Frau, die immer draußen war
Fertigstellung 2006 – unveröffentlicht – auf der Suche nach Verleger

Goldkäfer
Erzählung über eine Frau mit zwei Realitäten
Fertigstellung 2016 – unveröffentlicht – auf der Suche nach Verleger

Erste Liebe
Roman über den Glauben an die Allmacht der Liebe, die an der Ungleichheit scheitert
Fertigstellung 2016 – unveröffentlicht – auf der Suche nach Verleger


CREDITS

  Fotos / Audio: Günther Michels  /  Missoum-Spahlinger  /  frankfurt.de

  Text: Artikel beim Feinripp Magazine